Lärmphysikalisches Gutachten für den
Flughafen Frankfurt
Beteiligung an der Anhörung nach § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Schreiben vom 26.01.01 hatten wir Ihnen zu der o.g. Anhörung eine erste vorläufige Stellungnahme zukommen lassen und um Fristverlängerung bis zum 31.3.01 gebeten. Im folgenden möchten wir uns etwas ausführlicher zu der Thematik äußern. Diese Stellungnahme wurde in der Sitzung der Mitgliederversammlung am 22.3.01 mehrheitlich beschlossen.
Grundsätzlich begrüßen wir das Gutachten, in dem erstmals die Fluglärmbelastung der Region dargestellt ist. Zur Methodik und insbesondere zu den Vorgaben des Auftraggebers haben wir allerdings Bedenken, die wir im folgenden darstellen möchten.
Das Gutachten einschließlich der ihm zugrunde liegenden Vorgaben des Auftraggebers sind im Sinne einer Qualitätssicherung wie in der Mediation von unabhängigen Gutachtern zu überprüfen. Dabei ist auch die Frage zu stellen, ob die zugrunde liegenden, von der FAG gelieferten Daten des Datenerfassungssystems (DES) das tatsächliche Fluggeschehen ausreichend genau wiedergeben. Um dies prüfen zu können und die Transparenz zu erhöhen, ist das gesamte DES in verwertbarer, digitaler Form zur Verfügung zu stellen. Problematisch ist aus unserer Sicht insbesondere der grau hinterlegte Bereich in den Kartendarstellungen, für den die Kurven angeblich keine ausreichende Aussagekraft besitzen. Dieser Unsicherheitsfaktor, der im Gutachten leider nicht beziffert ist, kann nicht zuungunsten der Betroffenen ausgelegt werden, indem man diese Bereiche einfach ausblendet. Vielmehr ist hier im Gegenteil aus Sicherheitsgründen eine höhere Belastung anzunehmen. Dies betrifft insbesondere die Isophone Leq(3)Nacht mit dem Wert von 47 dB(A).
Wir können aus dem Gutachten nicht entnehmen, ob die Topographie in das Rechenmodell einfließt und gehen davon aus, dass insbesondere die im Bereich der Mittelgebirge reduzierte Flughöhe über dem Gelände entsprechend bei der Berechnung der Lärmausbreitung nicht berücksichtigt wurde.
Im übrigen geht aus dem Gutachten nicht hervor, welche Maßnahmen zum Lärmschutz konkret erfolgen sollen. Es werden keine Vorschläge untersucht und bewertet. Aktiver Lärmschutz hat unserer Ansicht nach absoluten Vorrang vor passivem Lärmschutz, der eine erhebliche Einengung der Wohn- und Lebensverhältnisse bewirkt.
Festzustellen ist, dass in dem Gutachten erstmals gesundheitliche Beeinträchtigungen bestätigt werden, wie von uns schon seit Jahren vermutet und vorgetragen. Wir sind allerdings der Ansicht, dass der von diesen Beeinträchtigungen betroffene Bereich wesentlich größer ist, als von Ihnen offensichtlich angenommen und dass die von Ihnen beabsichtigten Maßnahmen für die Vermeidung dieser Beeinträchtigungen bei weitem nicht ausreichen. Insofern sehen wir es als eine Verletzung Ihrer Pflicht zur Gesundheitsvorsorge an, wenn Sie sich lediglich auf die derzeit gültige Rechtsprechung und ein völlig veraltetes Fluglärmgesetz stützen und neuere wissenschaftliche Erkenntnisse ignorieren. Es ist nicht hinnehmbar, mit notwendigen Maßnahmen auf die Novellierung des Fluglärmgesetzes zu warten.
Der Kreis der betroffenen Kommunen muss erweitert werden, da der Parameter zur Berechnung der Fluglärmbelastung (Jansen-Kriterium 6 x 75 dB(A)) veraltet ist. Es ist nicht akzeptabel, wenn Sie immer noch vom Jansen-Kriterium ausgehen, nachdem im Obergutachten Maschke/Hecht vom 9.6.00 im Zusammenhang mit dem Planfeststellungsverfahren Berlin-Schönefeld wesentlich niedrigere Werte zugrunde gelegt wurden. Grundsätzlich ist die Fluglärmbelastung nach der Empfehlung der Mediation zu berechnen. Daher fordern wir als Kriterien, die durch aktive Lärmschutzmaßnahmen einzuhalten sind,
für die Nacht
- ein Maximalpegelkriterium von 6 x 68 dB(A) und
- einen Dauerschallpegel von 47 dB(A)
und für den Tag
- einen Dauerschallpegel von 55 dB(A).
Neuere Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung weisen darauf hin, dass bereits unterhalb der Aufweckgrenze Reaktionen ausgelöst werden, deren gesundheitsgefährdende Wirkung nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden. Dies lässt sich aus der Veröffentlichung des Niederländischen Gesundheitsrates von 1998 ableiten. Die dortigen Berechnungsformeln für die Aufweckreaktion ergeben für die hiesigen Verhältnisse, dass bei 6 X 68 dB(A) mehr als 10 % der Betroffenen bei Spaltlüftung geweckt werden. Bei geöffnetem Fenster sind es mehr als 15 %.
Erschreckend und für uns nicht akzeptabel ist der Nachtfluganteil der Flugbewegungen in Höhe von 10,5 % im Szenario 2000, der mit der Festlegung des Sommerflugplans 2001 als Obergrenze voraussichtlich nochmals steigen wird. Wir halten es für unerträglich, die Kontingentierung auf diesen absoluten Höchstwert an nächtlichen Flugbewegungen als Maßnahme des aktiven Lärmschutzes zu bezeichnen. Wir fordern den völligen Verzicht auf Flugbewegungen in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr.
Als Sofortmaßnahme fordern wir wie schon in unserem Schreiben vom 10.11.2000 ein absolutes Nachtflugverbot für Flugzeugtypen, die nicht der "Bonner Bonusliste" entsprechen. Wie Sie uns in Ihrem Schreiben vom 4.1.01 mitgeteilt haben, ist der Anteil dieser Maschinen, die nach Aussage des Fluglärmbeauftragten für einen großen Teil der Beschwerden verantwortlich sind, durchaus noch erheblich. Leider fehlt in dem genannten Schreiben eine Aussage dazu, was Sie in diesem Punkt zu unternehmen gedenken.
Nach allem ist es für uns offensichtlich, dass der derzeitige Zustand der Nachtflugbewegung den rechtlichen Bestimmungen nicht entspricht und dies von der zuständigen Aufsichtsbehörde geduldet wird. Ansonsten bestünde ja wohl kein Rechtsgrund für Entschädigungsleistungen.
Die Kommunale Arbeitsgemeinschaft Flughafen Frankfurt a. M. ist auch in Zukunft an einem konstruktiven Dialog bereit, mit dem Ziel, die Belastung der Menschen in der Region zu verringern.
Mit freundlichen Grüßen
(Schmitt)
Erster Kreisbeigeordneter und Vorsitzender der KAG Flughafen Frankfurt
Aktiver Schallschutz KAG-Positionen Fluglärmschutzbeauftragte