KREIS GROSS-GERAU. Unter reger Teilnahme zahlreicher Fachleute aus den umliegenden Kommunen und Kreisen kamen am Mittwoch auf Einladung der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Flughafen Frankfurt (KAG) Experten, Fachplaner, Politiker sowie Vertreter des Regierungspräsidiums (RP) Darmstadt und des Flughafenbetreibers Fraport zusammen. Sie diskutierten im Groß-Gerauer Landratsamt über ein drängendes Problem im Umfeld des Frankfurter Flughafens: die ständig wachsende Nachfrage nach Wohnraum bei gleichzeitig bestehenden Bauverboten und Siedlungsbeschränkungen.
„Funktioniert die Siedlungsbeschränkung als Instrument des Lärmschutzes und wie verhält es sich zu den Regelungen des Fluglärmschutzgesetzes?“, fragte Walter Astheimer, Vorstandsvorsitzender der KAG, zur Eröffnung der Veranstaltung. In einem Grundsatzreferat führte der Fach- und Raumplaner der Technischen Universität Kaiserslautern, Dr. Martin Rumberg, in das Thema ein: Die Kommunen stehen unter dem Druck mehrere Faktoren: den im Flächennutzungsplan erlassenen Siedlungsbeschränkungsgebieten, die dem vorbeugenden Lärmschutz dienen sollen und dabei die Ausweisung neuer Siedlungsgebiete verhindern, und den Bauverboten, die aus dem Fluglärmschutzgesetz resultieren und höchste Betroffenheit durch Fluglärm verhindern sollen. Letztlich werden die Verbote jedoch flächendeckend mittels Ausnahmegenehmigungen umgangen, was zu erheblichen Verwerfungen und Belastungen durch maximale Nachverdichtung im Innenbereich der Kommunen führt.
Dr. Helmut Beck vom RP Darmstadt bestätigte, dass die Beschäftigung mit und Gewährung von Ausnahmen vom Bauverbot nach § 5 Fluglärmschutzgesetz an der Tagesordnung bei seiner Behörde sei. Regine Barth, Fluglärmschutzbeauftragte beim Hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium, nahm manch einem Vertreter der Kommunen die Hoffnung, die starre Regelung der Siedlungsbeschränkung könne durch die Einführung der Lärmobergrenze gelockert, wenn nicht gar überflüssig werden. „Lärmobergrenze und Siedlungsbeschränkung sind komplementär, nicht alternativ zueinander“, sagte sie.
Und Max Conrady von Fraport betonte: „Siedlungsbeschränkung ist ein essentieller Bestandteil des vorsorgenden Lärmschutzes, auf den wir nicht verzichten können“.
Thomas Jühe, Bürgermeister von Raunheim, begrüßt die Siedlungsbeschränkung aus Gründen der kommunalen Glaubwürdigkeit. Doch sieht er die Verwerfungen, die aus der Siedlungsbeschränkung direkt resultieren: ein Ausmaß an Nachverdichtung, das nicht mehr hinnehmbar sei. Deshalb werde das Wachstum Raunheims jetzt gestoppt, die Einwohnerzahl bei 15.000 gedeckelt. „Wir sind am Limit – nichts geht mehr“, so der Bürgermeister nüchtern.
„Ein Vorgehen, das für Offenbach nicht in Frage kommt“, sagte Paul-Gerhard Weiß, Flughafendezernent der Stadt und ebenfalls Vorstand der KAG. „80 Prozent der gesamten Siedlungsfläche Offenbachs liegen laut Flächennutzungsplan im Siedlungsbeschränkungsbereich oder im Lärmschutzbereich nach Fluglärmschutzgesetz mit den zugehörigen Bauverboten, vor allem für Infrastruktur. Wenn wir hier keine Öffnungsregelungen finden oder die Ausnahmeregelungen sogar noch verschärfen, ist Offenbach planerisch am Ende“.
Gegen Ende der Veranstaltung setzte sich bei der Mehrzahl der Teilnehmenden eine Einschätzung durch, mit der Martin Rumberg die Veranstaltung bereits eröffnet hatte: „Für eine restriktive Anwendung der Siedlungsbeschränkung spricht fachplanerisch nichts.“ Man solle eher über die Entwicklung eines flexiblen Managements der Beschränkungen nachdenken. Diese Empfehlung griff der KAG-Vorstandsvorsitzende und Erste Kreisbeigeordnete Walter Astheimer in seinem Schlusswort auf, als er die Teilnehmer mit der Aussicht auf weitere Aktivitäten der KAG verabschiedete: „Das Thema ist heiß, der Klärungsbedarf immens und die Zeit günstig. Die derzeit stattfindende Abstimmung der dritten Änderung des Landesentwicklungsplans öffnet uns ein Fenster zur Einflussnahme, das wir zu nutzen wissen.“
Anlagen: Unterlagen zu gehaltenen Vorträgen:
Dr. Martin Rumberg, Uni Kaiserslautern:
Siedlungsbeschränkung versus SiedlungsdruckRegine Barth, Fluglärmschutzbeauftragte beim Hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium:
Siedlungsbeschränkung im Entwurf der 3. Änderung Landesentwicklungsplan 2000Max Philipp Conrady, Fraport AG:
Siedlungsbeschränkungen als Mittel zur KonfliktlösungSilvia Schütte, Öko-Institut e.V., Darmstadt:
Ergebnisse der Online-Befragung zu den §§ 5, 6, 8 FluLärmG
Siedlungsbeschränkungen Siedlungsdruck KAG Ffm PMs Fluglärmschutz Fluglärm Flughafen Frankfurt Landesentwicklungsplan Hessen (LEP) Passiver Schallschutz Aktiver Schallschutz
Stellungnahme zur Entscheidung vom 24.09.2001