Rechtsamt Groß-Gerau, 27.06.2002
I/1.3 vS/sl
Vermerk
KAG 19.06.2002 Top 6
Beteiligtenfähigkeit vor dem VGH
Gemäß § 67 Abs. 1 VwGO ist Voraussetzung, dass sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellen möchte, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen muss. Die Städte und Gemeinden sowie der Kreis als juristische Person des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen. Das bedeutet, dass die kommunalen Gebietskörperschaften, die Volljuristen beschäftigen, die gerichtlichen Verfahren selbst führen können. Für Bürgerinnen und Bürger gilt der Vertretungszwang durch Rechtsanwälte oder Rechtslehrer.
Mehrere Beteiligte können sich, wie dies § 67 a VwGO voraussetzt, durch einen gemeinsamen Bevollmächtigten vertreten lassen, wenn sie an einem Rechtsstreit "im gleichen Interesse" beteiligt sind. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass sich die Interessen selbst benachbarter Gemeinden im Laufe des Verfahrens auseinanderentwickeln können und je nach Ausbauvariante nicht mehr deckungsgleich sind.
Klagebefugnis/Antragsbefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO
0. Einwendungsbefugnis
Vorab ist noch darauf hinzuweisen, dass eine Gemeinde nur dann verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, wenn sie im Planfeststellungsverfahren form- und fristgerecht entsprechende substantiierte Einwendungen erhoben hat, auf deren Frist bereits eingegangen worden ist. Wird die Gemeinde diesen Anforderungen nicht gerecht, so ist sie mit ihrem Gegenvorbringen materiell präkludiert. Dies hat zur Folge, dass die Gemeinde in einem anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit der Rechtsverletzungsbehauptung nicht mehr gehört wird (BVerwG NVwZ 1995, 905, 907).
1. Verfahrensfehler nach Art. 6 LuftVG
Aus Verfahrensfehlern ergibt sich bei Gemeinden lediglich dann eine Klagebefugnis, wenn das verletzte Beteiligungsrecht der Gemeinde eine eigene, selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition verleiht, wie etwa das luftverkehrsrechtliche Genehmigungsverfahren nach § 6 LuftVG (BVerwGE 81, 95 (106)).
Dies soll dann der Fall sein, wenn Gemeinden geltend machen, sie seien nicht oder nicht ausreichend im Planfeststellungsverfahren angehört worden, obwohl sie Träger eigener materieller Rechte sind und deshalb ein Recht auf Beteiligung am Planfeststellungsverfahren haben (Giemulla/Schmid § 9 Rdnr. 23; § 6 Rdnr. 53, 55). Dieses Recht der Gemeinden gibt ihnen ein Recht auf Information und Anhörung. Das Recht auf Information entspricht auch dem Recht der Beteiligten auf Akteneinsicht und Anhörung (Giemulla/Schmid § 6 Rdnr. 60). Die unterbliebene oder unzureichende Beteiligung von Gemeinden am Genehmigungsverfahren durch Information oder Anhörung stellt einen Verfahrensfehler dar, für den die §§ 45, 46 VwVfG gelten. Darüber hinaus verletzt eine Missachtung des Beteiligungsrechts die dadurch betroffene Selbstverwaltungskörperschaft in ihrem subjektiven Recht auf Beteiligung. Allerdings scheidet ein zur Nichtigkeit der Genehmigung gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG führender schwerer und offenkundiger Verfahrensfehler regelmäßig aus, da dieser nur bejaht werden kann, wenn die Gemeinden überhaupt nicht beteiligt oder angehört worden sind.
Allerdings ist nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG das Unterlassen der erforderlichen Anhörung eines Beteiligten im Verwaltungsverfahren unbeachtlich, wenn sie nachgeholt wird. Die Rechtsfolge davon ist dann eine Heilung des formellen Verfahrenfehlers mit Wirkung für die Zukunft. Wenn unzureichende Akteneinsicht oder Information in anderer Form nicht korrekt durchgeführt wurden, können diese Mängel noch im Verfahren geheilt werden. (Giemulla/Schmid § 6 Rdnr. 64).
Art 28 Abs.2 GG
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage / eines Antrags gegen den Planfeststellungsbeschluss ist, dass gemäß § 42 Abs. 2 VwGO die Kläger eine subjektive Rechtsverletzung behaupten können. In diesem Zusammenhang kann je nach örtlicher Lage und je nach Ausbauvariante für einzelne kreisangehörige Städte und Gemeinden deren aus Artikel 28 Abs. 2 GG resultierendes Selbstverwaltungsrecht möglicherweise durch einen Eingriff in die kommunale Planungshoheit betroffen sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn wesentliche Teile des Gemeindegebiets dem planerischen Zugriff entzogen bzw. bestehende und bereits hinreichend bestimmte eigene Planungen nachhaltig oder kommunale Einrichtungen erheblich beeinträchtigt werden.
Allerdings bleibt festzuhalten, dass weder Kreis noch kreisangehörige Städte und Gemeinden ihre Klagebefugnis auf eine Verletzung von Rechten der Bürgerinnen und Bürger des Kreises bzw. der Städte und Gemeinden stützen können. Ein derartiger Stellvertreterprozess wäre unzulässig. Für die Bejahung der Klagebefugnis soll es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht BVerwG, in NJW 1979, 64 (71) ausreichen, wenn die Gemeinde abstrakt auf ihre Planungshoheit verweist und jedenfalls die Möglichkeit besteht, dass mit der planfestgestellten Maßnahme die Planungshoheit kollidiert und dadurch von ihr betroffen wird. Eine Konkretisierung der Planungsabsichten und eine schlüssige Darlegung, dass und in welchem Umfang ihre Verwirklichung durch die Flugplatzplanung vereitelt oder wenigstens erschwert wird, ist für die Begründung der Klagebefugnis noch nicht erforderlich. Ein solcher Vortrag ist aber Voraussetzung für eine tatsächliche Rechtsverletzung für die sogenannte Begründetheit der Klage. Beispielsweise ist der Flächennutzungsplan einer Gemeinde Ausdruck der planerischen Vorstellungen der Gemeinde. Auch wenn dieser keinen Rechtsnormcharakter hat. (vgl. BVerwG in Bay Vbl. 91, 24).
Die Möglichkeit einer Planungskollision besteht nicht nur für Gemeinden, auf deren Gebiet die planfestgestellte Maßnahme ausgeführt werden soll, sondern auch für solche Gemeinden, deren Gebiet im Bauschutzbereich gemäß § 12 LuftVG oder im beschränkten Bauschutzbereich gemäß § 17 LuftVG oder Lärmschutzbereich liegt. Fluglärmbelästigung kann etwa unter Anwendung der Vornorm DIN 18005 die Planung zumindest von Wohngebieten jedenfalls erschweren. (vgl. Giemulla/Schmid
§ 9 LuftVG Rdnr. 26 ff.). Unbeachtlich sind bloße Entwicklungsplanungen, die noch nicht einmal in den Entwurf eines Flächennutzungsplans eingeflossen sind. Hat die Gemeinde beispielsweise in einer Weise konkretisierte Planungsabsichten, ergeben sich schon aus der Gegenüberstellung der Absichten einerseits und der Auswirkungen der Flugplatzplanung andererseits die Art und das Maß der Betroffenheit. So kann beispielsweise unter Anwendung der Lärmrichtpegel der Vornorm DIN 18005 ohne weiteres ermittelt werden, welche baulichen Nutzungen in welcher Lärmzone noch möglich sind. Ergibt ein Vergleich etwa, dass an die Stelle des geplanten Wohngebiets in dem fraglichen Gemeindegebiet nur noch ein Gewerbe- oder Industriegebiet ausgewiesen werden kann, so ist die Betroffenheit der Gemeinde erwiesen. Allerdings kann die konkrete Darlegung konkreter Planungsabsichten und deren Beeinträchtigung dann ausnahmsweise zurücktreten, wenn einer Gemeinde jede Planungsmöglichkeit genommen wird, sei es, dass sie wegen der erheblichen Lärmbelastung in keinem Teil des Gemeindegebiets mehr alle in der Raumnutzungsordnung vorgesehenen Baugebiete schaffen kann oder dass der noch zur Verfügung stehende Teil eines Gemeindegebiets so geringfügig oder soweit vom vorhandenen Bebauungszusammenhang entfernt ist, dass er für die Entwicklung einer Gemeinde ernsthaft nicht mehr in Betracht gezogen werden kann. In einem solchen Fall reicht es zum Nachweis der Klagebefugnis nicht aus, wenn die Gemeinde abstrakt auf ihre Planungshoheit hinweist.
Das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 21.01.1993 in NvWZ 1993, 886 deutlich gemacht, dass die Klagebefugnis einer Gemeinde durchaus gegeben sein kann, wenn sie kommunale Trägerin einer öffentlichen Einrichtung ist (KiTA, Spielplatz, Schule etc.). Benötigt eine Gemeinde z.B. ein Grundstück zur Erfüllung kommunaler Aufgaben wie Kindergarten, Krankenhaus, ist verfassungsrechtlicher Schutz nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geboten (BVerwG in NVwZ 1995, 598). In diesem Zusammenhang soll es der Gemeinde möglich sein, geltend zu machen, dass eine von ihr geschaffene kommunale Einrichtung, welche der öffentlichen Daseinsvorsorge dient, in der Verwirklichung ihrer Aufgabenstellung durch den PFB, also durch staatliches Handeln, gestört wird. Denn eine derartige Beeinträchtigung kann den durch Bundesrecht geschaffenen Wirkungskreis der Gemeinde berühren. Nach dieser Rechtsprechung soll nicht von vornherein ausgeschlossen sein, dass die Pflicht zur Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit sowohl die Gemeinde als Trägerin einer von ihr betriebenen Einrichtung als auch staatliche Organe gleichermaßen trifft. Die Grenze zur Klagebefugnis besteht darin, dass sie nicht Sachwalter der öffentlichen Interessen werden darf. Die Gemeinde kann also geltend machen, dass sie für ihre Mitarbeiter und Benutzer über Art. 28 Abs. 2 S.1 GG verpflichtet ist, Gefahren für Leben und Gesundheit zu wahren. Muss die Gemeinde mit Schadensersatzansprüchen der Mitarbeiter und Benutzer rechnen, weil diese die kommunale Einrichtung nicht mehr benutzen können, könnte dies auch zu einer Klagebefugnis führen.
Klagebefugnis wegen Eigentümerposition
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung in NJW 1983, 2459 entschieden,
dass nunmehr zugunsten von Grundeigentümern, deren Eigentum aufgrund der
Planungsentscheidung ganz oder teilweise durch Enteignung entzogen werden kann,
grundsätzlich eine objektiv rechtmäßige, d. h. in jeder Hinsicht auch mit dem
Abwägungsgebot übereinstimmende Planung beansprucht werden kann, mithin auch eine
Verletzung anderer als nur der eigenen Belange rügen, weil Artikel 14 Abs. 3 GG nur eine
in jeder Hinsicht rechtmäßige Enteignung gestattet. Nach der Rechtsprechung des BVerfG
scheidet eine Berufung der Gemeinde auf
Art. 14 GG aus, ( BVerfGE 45, 63, 78f.) doch vermittele die einfachrechtliche
Eigentümerstellung der Gemeinde eine abwägungserhebliche Position, wenn ein ihr
gehörendes Grundstück durch das planfestgestellte Vorhaben unmittelbar in Anspruch
genommen wird oder eine wertmindernde Beeinträchtigung durch Lärm oder Schadstoffe
droht, weil das Eigentum auch unterhalb der Verfassungsebene geschützt ist und daher in
der Abwägung subjektiv beachtlich ist. Die Gemeinde kann sich also nur subjektiv
rechtlich darauf berufen, ihr Eigentum sei bei der Abwägung nicht hinreichend
berücksichtigt worden.
4. Verwirkung des Klagerechts
Allerdings kann das Klagerecht auch verwirkt sein und somit der Ausschluss der Klagebefugnis gegeben sein. Dies ist dann der Fall, wenn einzelne Planungsbetroffene unter dem Gesichtspunkt eines Klageverzichts oder einer Verwirkung des Klagerechts in Erscheinung getreten sind. Die Klagebefugnis kann wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben durch unzulässige Rechtsausübung als verwirkt angesehen werden, wenn der Kläger an den Planungsträger ein Grundstück verkauft hat, dass für die Realisierung des Vorhabens benötigt wird. In einem solchen Fall hat das VG München schon die Klagebefugnis verneint, weil in Bezug auf das jeweils veräußerte Grundstück der Eigentümer in Bezug auf das Rechtsgeschäft mit dem Planungsträger gewissermaßen eine Zustimmung zu dem Vorhaben erteilt hat. Diese Grundsätze bejaht das VG München nicht nur für private Planbetroffene, sondern auch für Gemeinden; haben sie ein Grundstück an den Planungsträger veräußert, sollen sie sich auch nicht mehr auf eine Verletzung ihrer Planungshoheit durch das planfestgestellte Vorhaben berufen können.
5. Klagebefugnis für 3.
Für Bürgerinnen und Bürger des Kreises gilt, dass sie als Nachbarn des Flughafens klagebefugt sein können. Nachbarn sind insbesondere die Personen, die als Eigentümer oder eigentumsähnlich berechtigt durch den Planfeststellungsbeschluss in dieser Rechtsstellung betroffen sind; dies soll selbst dann gelten, wenn das Eigentum als sogenanntes Sperrgrundstück nur zum Zwecke der Klageerhebung erworben wurde. Sofern sich der Planfeststellungsbeschluss auch gegenüber Mietern und Pächtern enteignungsmäßig auswirkt, können auch diese durch einen Planfeststellungsbeschluss eine subjektive Rechtsverletzung plausibel behaupten.
6. Fazit
Festzuhalten bleibt, dass eine Klagebefugnis eine Betroffenheit in einem subjektiven Recht voraussetzt. Insofern ist die Klagebefugnis enger als die sogenannte Einwendungsbefugnis, die nur ein Berührtwerden in eigenen Belangen voraussetzt und der Kreis der Einwendungsberechtigten insofern größer ist, als der Kreis der klagebefugten Rechtssubjekte. Eine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO ist dann zum verneinen, wenn die Gemeinde ausschließlich Rechte anderer - z.B. ihrer Einwohner - oder bloß allgemeine Interessen geltend macht (vgl. BVerwG NVwZ 1999, 67). Die Erfolgsaussichten in materieller Hinsicht beurteilen zu können, würde hier in diesem Rahmen zu weit führen, da der konkrete Planfeststellungsbeschluss noch nicht feststeht. Es kann aber vorab mitgeteilt werden, dass auf die Besonderheit von § 10 Abs. 8 LuftVG hinzuweisen ist. Nach dieser Rechtsvorschrift sind nur Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Erhebliche Mängel bei der Abwägung oder eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften führen nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn sie nicht durch Planergänzung oder durch ergänzende Verfahren behoben werden können.
Im Auftrag
gez. von Schwanenflug
(von Schwanenflug)
Assessorin
Das oben stehende Script ist eine ANlage zum Protokoll der KAG-Mitgliederversammling vom 19.06.2002, Top 6